… sitzt in einem 2m auf 3m grossen, fensterlosen, von zwei Neonröhren erhellten Raum im 1. Untergeschoss unseres Apartment-Compounds – und ist einfach zu jeder Tages- und Nachtzeit dort. Ihren Namen kenne ich nicht und das obwohl ich sie in der Regel zweimal die Woche sehe und sie mich jedes Mal mit einem freundlichen Lächeln begrüsst. Das ist dann auch bereits das Maximum an Kommunikation, die mit ihr möglich ist, denn diese junge Dame spricht kein Wort Englisch.

Diese Tatsache führt zu teilweise recht komplizierten Situationen, denn diese junge Frau ist angestellt bei der Firma, die in unserem Komplex für die Wäsche zuständig ist. Für die vielen internationalen Expats hier, gibt es nämlich praktischerweise einen compoundeigenen “Laundry and Dry-Clean” Service, der einen günstigen Wäscherei- und Reinigungsservice anbietet. Und das geht so:

Man packt seine reinigungswürdige Wäsche in einen Stoffsack und vermerkt auf einem Formular mit 4 Durchschlägen (einem weissen, einem gelben, einem rosanen und einem blauen), was man in den Sack getan hat. Dazu noch ob man “Dry Cleaning” (also Reinigung) oder “Laundry” – also normale Wäsche – wünscht und ob man die Hemden gerne auf dem Bügel, gefaltet und oder gestärkt haben will. Das ganze ergänzt man mit Namen, Apartment-Nr., und Uhrzeit sowie Unterschrift. Dann nimmt man das wichtige Formular und den Sack und fährt damit ins 1. Untergeschoss, wo sich einem der hintersten Ecken dieser winzige Abgabe- und Abholschalter mit der jungen Dame befindet, die wie bereits erwähnt, kein einziges Wort englisch kann. In einem Gebäude in dem mehrere hundert nicht-chinesen wohnen, wäre das ja auch total überflüssig.

Allgegenwärtiges Bild: Wer keinen Laundry Service hat, trocknet seine Wäsche auf der Strasse

Allgegenwärtiges Bild: Wer keinen Laundry Service hat, trocknet seine Wäsche auf der Strasse

Man gibt ihr nun also den Sack und noch viel wichtiger – das Dokument. Von nun an wähnt man sich eher auf einem deutschen Amt als in einer Wäscherei. Erst werden akribisch alle Angaben geprüft, dann wird gezählt, dann mit dem Taschenrechner der Preis berechnet (der im übrigen sehr attraktiv ist) und dann das Formular ergänzt. Offensichtlich gibt es nun zwei Bezahlmöglichkeiten. Eine ist wohl die Barbezahlung und wie die andere Option funktioniert, habe ich bis heute nicht herausgefunden, denn dazu müsste ich die Frau fragen können, was sie denn von mir will, wenn sie mir zwei Stempel !! (mit natürlich spiegelverkehrter Schrift) vor die Nase hält. Auf einem steht – das kann man mit etwas schiefgehaltenem Kopf und Zeit irgendwann erkennen – “Cash” – also Barbezahlung. Auf dem anderen steht irgendwas mit transfer, allerdings spiegelverkehrt und halb in chinesisch. Da ich mir bisher weitere pantomymische Diskussionen ersparen wollte, entschied ich mich stets für die “Cash”-Variante durch schlichtes deuten auf den entsprechenden Stempel.

Ein Nicken bedeutet soviel wie “Barbezahlung, kein Problem, Sir”. Dann werden alle vier Dokumente mit mehreren Stempel versehen und man bekommt einen Durchschlag zurück. Versuchen zu fragen, wann die Wäsche denn fertig und abholbereit sei? Ich habs probiert und das Ergebnis war eine Mischung aus Chinesisch und wilden Gesten. Egal. Zwei tage später müsste realistisch sein.

Also geht man am übernächsten Tag zurück in den winzigen Kellerraum und wird wieder mit einem freundlichen Lächeln begrüsst. Man sollte jetzt meinen dass man einfach den bei der Abgabe erhaltenen Durchschlag abgibt und dann seine Wäsche bekommt. Ganz so geht es aber nicht. Erst wird einem ein kleines Büchlein hingehalten, das kreuz und quer mit Zahlen und Buchstaben beschriebe nist – dazu gibt es einen Stift. Gut, wenn man weiss, dass die Dame einem damit sagen will: “Bitte schreiben sie hier ihre Apartmentnr. auf”. Irgendwann kommt man drauf. Mit dieser Information wird dann in einem dicken, von Hand beschriebenen Buch nach dem passenden Eintrag gesucht. Das geht in der Regel nie im ersten Anlauf und so ensteht ein wildes geblätter, gemurmel und gesuche, bis man dann irgendwann selbst auf die Zeile mit der eigenen Apartmentnr. zeigt, was mit einem erlösenden “Ahhh gebrummelgemurmel” quitiert wird.

Es folgt nun immer das gleiche Ritual (nochmal zur Erinnerung: Der Raum hat maximal die Fläche einer Umkleidekabine): Die hunderten von Kleiderbügel und Wäschestapel an allen vier Wänden fragend anschauen. Dann zurück zum Buch kommen und noch einmal die Apartmentnummer nachschauen. Daraufhin wieder an alle vier Wände schauen und dabei mit einer Stange willkürlich manche Hemden ein bisschen auseinanderschieben um die auf den Plastiksäcken, in denen die frisch gewaschene Ware verpackt ist, vermerkte Nr. lesen zu können. Das dauert ein paar Minuten und endet meistens ergebnislos, manchmal mit ein bis zwei der 30 abgegebenen Kleidungsstücken.

In der Regel stehen nun 2 – 3 weitere Abholer hinter einem und wechseln genervt von einem Bein aufs andere. Weil einem das selbst unangenehm ist, sucht man nun über das Holzbrett, welches als Schalter fungiert hinweg selbst in den Bergen von Wäsche nach einem Stück, das einem Bekannt erscheint und zeigt dann energisch darauf. Auf diesem Weg hat man gute Chancen, relativ zügig bis zu zwei Drittel seiner Ware wiederzufinden. Wer nun aber wie ich oft weisse Hemden und schwarze Anzughosen abgibt, der wird die eigenen zwischen den vielen gleichen Waren auf diese Weise nicht finden und so sucht das junge Mädel weiter und weiter und wird dabei immer hektischer und murmelt immer lauter vor sich hin.

Irgendwann gibt sie auf und reicht einem die gefundene Ware (die übrigens einzeln in Plastik eingeschweisst, und pro Stück mit einer per Sicherheitsnadel befestigten Nr. zurückkommt) und macht dazu mit der Hand eine Bewegung die man beim zweiten oder dritten Besuch als “ich finde ihre Wäsche gerade leider nicht, aber ich suche weiter und bringe sie ihnen in ihr apartment” deuten kann.

Das funktioniert dann auch und 15 Minuten später klingelt es dann meist an der Türe und davor steht das Mädel – strahlend mit den fehlenden Wäschestücken in der Hand, dazu das einzige englische Wort sagend, das ich je von ihr gehört habe: “Solly”.

Dusche für ein armes Huhn in "old town"

Dusche für ein armes Huhn in "old town"

Nachdem es in meinen ersten Wochen in China oft und ausgiebig geregnet hatte (was für diese Jahreszeit normal ist, denn bis Ende Juni herrscht Regenzeit), ist diese nun offiziell vorbei. Und siehe da: Heute strahlender Sonnenschein in Shanghai.

Die Gelegenheit um die neue Heimat etwas zu erkunden und endlich mal ein paar Fotos zu schiessen. Die Metro (die übrigens äusserst konfortabel, pünktlich, modern und sauber ist) brachte mich zur Station “Laoximen” am Rande der sogenannten “old town” – dem Stadtviertel, welches heute noch so aussieht, wie sich manch einer das traditionelle China vorstellt: Enge, verwinkelte Gassen, niedrige Häuser mit geschwungenen Dächern, überall quer über die Strassen zum trocknen ausgehängte Wäsche, unzählige kleiner Garküchen, Menschen in Pijamas auf den Strassen , zahllose Lebensmittelstände und hektisches Treiben.

Hier geht es extrem wuselig zu, auf den Strassen ein Gewimmel aus Fussgänger, Fahrradfahrer, Menschen, die irgendwelche Güter per Handkarren transportieren und nicht selten: Hühner, Hunde und Katzen.  Wer nach Shanghai kommt, der sollte sich die old town nicht entgehen lassen: Hier wird die Wäsche noch in Zuber auf der Strasse gewaschen, der Fisch auf dem Bordstein zerlegt und das lebendige Huhn direkt aus einem garagenähnlichen Laden verkauft.

Old Town hat bis heute keine Kanalisation und so laufen hier und da kleine Rinnsale den Strassen lang. Die Luft ist gespickt mit unterschiedlichsten Gerüchen, die teilweise aus den vielen Dampfenden Kochkessel stammen, teilweise auch aus den herumliegenden Abfallhaufen, untermalt mit dem  Duft der überall hängenden, frisch gewaschenen Wäsche. Deutsche Gaststättenkontrolleure hätten ihre helle Freude, beim Anblick des in der prallen Sonne auf der Strasse liegenden, rohen Fleischs und den zahlreichen Katzen unter den Schlachtbänken.

Frösche, Schildkröten, Eichhörnchen, Vögel, Hunde, Katzen. Im "Insect and Flower market" gibt es mehr zu kaufen, als der Namen verspricht.

Frösche, Schildkröten, Eichhörnchen, Vögel, Hunde, Katzen. Im "Insect and Flower market" gibt es mehr zu kaufen, als der Namen verspricht.

Per Zufall entdeckte ich auf meinem weiteren Spaziergang etwas skurriles: Nämlich den sogenannten “Insect, Bird and Flower Market”. Der Name ist Programm und so drängen sind in winzigen Ständen Käfige mit diversen Vögeln, Fischen, Scihldkröten, Fröschen, Eichhörnchen und sogar Katzen und Hunden bei weit über 30 Grad in einer Art Markthalle.  Den Geruch kann man sich in etwa vorstellen und dann ist da noch dieses ohrenbetäubende Geräusch, das über dem ganzen liegt. Es ist das Zirpen von abertausenden Grillen (Grashüpfer), die sich die Chinesen gerne als lebendige Musikanten in kleinen Kartonschachteln oder geflochtenen Rattankugeln halten. Angeblich werden hier auch Heuschreckenkämpfe ausgetragen, auf die auch gewettet werden kann und bei denen es angeblich um Summen wie beim Pferderennen geht. Wem`s gefällt… Den tausenden von Tieren in ihren viel zu kleinen Käfigen gefällt es auf jeden Fall nicht und weil ich den Anblick auch nicht sonderlich erfreulich finde, ziehe ich weiter.

Von old town quer durch die Stadt, vorbei an zahlreichen Wolkenkratzer, elevated roads und Strassenzügen in denen sich ein kleiner Laden mit allerlei Krimskrams an den anderen reiht, weiter zur “Nanjing road” – der vermutlich bekanntesten Einkaufs- und Touristenstrasse Shanghais. Hier statte ich einer alten Bekannten einen Besuch ab. “Lisa” ist ein junges, sehr sympathisches und aufgewecktes Mädel, das hier in einem unterirdischen Einkaufszentrum einen minikleinen Shop betreibt, in dem sie vor allem gefälschte Taschen, Uhren, Geldbörsen und so weiter verkauft. Ich kenne sie bereits aus früheren Geschäftsreisen und habe schon so einige Kollegen und Freunde auf der Suche nach günstigen “original copies” in ihren kleinen Laden geführt. Dieser hat nämlich ein Geheimnis – wie so viele dieser Shops hier. Wie bei Indiana Jones gelangt man durch eine versteckte Tür in einem Schrank und durch dunkle Katakomben in ihren eigentlichen Shop. Und hier sitzen dann meist westliche Kunden auf winzigen Kinderplastikhockern und begutachten nicht ganz Echtes von Rolex, Gucci, LV und so weiter. Lisa erkennt mich sofort mit einem freudigen “Heeeyyy” und schenkt mir zum Wiedersehen etwas aus ihrem Sortiment.

Nicht weit von Lisas Laden liegt der “Bund” – DIE Prachtpromenade Shanghais. Hier gibt es die teuersten Restaurants, die teurstens Quadratmeterpreise für Wohnungen und Büroräume, alte Kolonialbauten, die schönste Aussicht auf die Skyline mit dem “Oriental Pearl Tower” und vor allem auch eines: Viele, viele Menschen. Wer kein Foto von sich auf dem Bund mit zurück nach Hause bringt, der war nicht in Shanghai und so ist es hier gerammelt voll.

Als westlich aussehender Mensch wird man hier im Zuge der Fotoeuphorie gerne selbst zur Sehenswürdigkeit. Wer ein paar Minuten stehen bleibt, wird garantiert nach wenigen Minuten von schüchternen Chinesen (meist Mädels) in sehr holprigem Englisch gefragt, ob es möglich wäre, dass diese ein Foto mit einem machen. Einmal ja gesagt, versammeln sich spontan kleine Menschengruppen um einem um sich ebenfalls vor dem offensichtlich willigen Statisten abzulichten.

Die brühmte Shanghaier Skyline mit dem "Oriental Pearl Tower" - Fotografiert vom "Bund".

Die brühmte Shanghaier Skyline mit dem "Oriental Pearl Tower" - Fotografiert vom "Bund".

Vom Bund setze ich meine Reise abermals mit der Metro fort und lasse mich in die “Former French Consession” befördern. Dieses Stadtviertel war früher tatsächlich eine französische Konzession und das sieht man auch heute noch. Während Shanghai sonst von hypermodernen Hochhäusern, breiten Strassen und spiegelnden Glasfronten geprägt ist, könnte man sich hier tatsächlich nach Frankreich versetzt vermuten. Eine Boutique reiht sich an die nächste, dazwischen zahlreiche Konfisserien, Kaffees und Bars. Das ganze eingebettet in prächtige Alleen mit altem Baumbestand und teilweise umgeben von grosszügigen Parkanlagen, in denen die Menschen lesen, Karten spielen und Thai Chi praktizieren. In einer chicen Lounge-Bar gönne ich meinen Füssen eine kurze Pause von der langen Wanderung durch den Grossstadtjungle (bei übrigens 35 Grad und einer Luftfeuchte nahe den 100%) und mache mich dann über die letzte Etappe zurück nach Hause.

Heute Abend gibts viel Wasser und eine Pizza – nach Hause bestellt über Sherpas - mein Lieblingsunternehmen in dieser Megastadt.

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Tägliches Bild: Verkehrschaos in Shanghai

Tägliches Bild: Verkehrschaos in Shanghai

…ist, gelinde ausgedrückt; eine Katastrophe. Regeln scheint es keine zu geben und wenn es sie gibt, dann scheren sie keinen und sind für Menschen, die nicht in diesem Chaos gross geworden sind, schwer nachzvollziehen.  Täglich werden in Shanghai rund 400 zusätzliche Autos zugelassen. Dazu kommen unzählige Fahrräder, Scooter, Dreiräder und allerlei sonstiges, abenteuerliches Gefährt. Und all diese begeben sich täglich auf chinas Strassen um ein Spektakel der besonderne Art zu vollführen. Da wird gehubt (ständig), gedrängelt (auch ständig), der Weg abgeschnitten und was für uns Europäer am ungewöhnlichsten ist; so dicht aufgefahren, dass es eigentlich ständig knallen müsste. Das tut es genaugenommen auch – im vergangenen Jahr sind in China 90.000 Menschen im Strassenverkehr gestorben – das ist traurige Weltspitze. Doch erstaunlich oft bleibt es beim Beinahecrash und nach welchen Regeln auch immer, bremst einer der Strassencowboys doch noch in letzter Sekunde ab.

Zu viert auf dem Elektroroller und dabei essen: Kein Problem

Zu viert auf dem Elektroroller und dabei essen: Kein Problem

So ist eine Fahrt durch Shanghais Strassen eine nicht nur nervenaufreibende, sondern auch höchstgradig ruckelige Angelegenheit. Das liegt einerseits an den meist uralten Taxen (vor kurzem selbst gesehen: ein Santana mit 499.000km), und andererseits am ständigen stop and go und den harten kurz-vor-knapp Brems- und Ausweichmanöver. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man überhaupt voran kommt. Denn genau das hingegen ist eine wirkliche Seltenheit in dieser Stadt, die genau betrachtet nichts anderes als ein grosser Parkplatz (auf dem überdurchschnittlich viel gehupt wird) ist.

Interessant ist die eindeutig zu erkennende Hierarchie, die unter den Teilnehmern klar geregelt zu sein scheint: Es gilt 1.: grösser vor kleiner und 2.: schneller vor langsamer und 3.: vorne vor hinten. LKW und Bus haben gemäss dieser Logik IMMER Vorfahrt. Es folgen grosse (und/oder teure) Fahrzeuge, dann die normalen PKW´s, dann die Roller und Scooter (hierzu gleich noch mehr), gefolgt von Fahrräder und ominösen dreirädrigen Gefährten, die bergeweise Material transportieren und mit Pedalen angetrieben werden. Ganz unten in der Nahrungskette steht ganz klar der Fussgänger. Er hat eigentlich keine Rechte und entsprechend ist es hier auch keine gute Idee, sich auf eine grüne Fussgängerampel zu verlassen und einfach loszulaufen. Die Chancen auch wirklich und heil auf der anderen Strassenseite azukommen sind dabei extrem gering.

Nicht zu unterst in der Verkehrsnahrungskette - aber fast: Der Fahrradfahrer

Nicht zu unterst in der Verkehrsnahrungskette: Der Fahrradfahrer

Nun sind die Autos für den armen Fussgänger ja noch relativ gut zu erkennen und da sie ständig hupen (die Huplogik hat sich mir noch nicht erschlossen) sind sie meist auch zu hören. Viel gefährlicher sind eigentlich die hier sehr weit verbreiteten und aus Europa nahezu unbekannten Elektroscooter. Diese illustren Gefährte gleichen unseren Rollern, haben aber den enormen Nachteil, dass sie sich (vom Hupen abgesehen) geräuschlos bewegen. Um es dem sowieso schon genug bestraften Fussgänger nun aber noch schwerer zu machen, fahren diese Dinger nachts auch noch ohne Licht! Man hört sie also nicht nur nicht, man sieht sie auch nicht. Klar, Licht wird mit Strom betrieben und den verbraucht der Elektroscooterfahrer lieber für Vortrieb als um gesehen zu werden.

So wird also jeder Gang zum Supermarkt zum Hindernislauf und jede Fahrt mit dem Taxi zur Achterbahnpartie – mit dem Unterschied, dass man in Shanghais Taxen grundsätzlich nicht angeschnallt ist. Zwar gibt einem der blecherne Bordcomputer bei jedem Fahrtbeginn den gutgemeinten Rat: “Please fasten your seatbelt” – nur scheitert dieses Vorhaben meist daran, dass diese wenn überhaupt vorhanden, unter reizenden Sitzbezügen, wahlweise auch mit gehäkelten Spitzen, verborgen sind.

Heillos überfordert: Verkehrslotsen in Shanghai

Heillos überfordert: Verkehrslotsen in Shanghai

Nun zerstören motorisierten Chinesen auf diese Weise im Stadtverkehr aufgrund der im Getümmel reduzierten Geschwindigkeit, mit der man vorankommt, meist nur Blech (und Fussgänger) – weitaus vehehrendere Folgen hat die Inkompetenz der Fahrer allerdings auf den Autobahnen. Auf unseren Fahrten zwischen Shanghai und Changzhou (2,5 Stunden überwiegend Autofahrt) gab es noch keine einzige, auf der wir nicht an mindestens einem Unfall vorbeigekommen sind. Oft ist bei diesen mit einem Lackstift nicht mehr viel zu retten: So zum Beispiel vor zwei Tagen, als ein LKW mit Baumstämmen auf dem Rücken quer über die Autobahn lag, umgeben von zahlreichen Autos, die von den umherfliegenden Hölzern übel zugerichtet wurden.

Und dabei liegt es nicht, wie man vielleicht meint, an den Zuständen der Strassen – denn die meisten Autobahnen sind brandneu und gut ausgebaut. Auch die (wenn auch oft alten) Autos ansich sind offensichtlich nicht der Grund für die vielen Unfälle, sondern schlichtweg das Unkönnen der Fahrer. Diese überholen links, wie rechts (gern auch auf dem Pannenstreifen), fahren mit Lichthupe bis zum Stossstangenkontakt auf den Vordermann auf, scheren aus ohne zu blinken und gehen davon aus, dass sie egal in welcher Situation im Recht sind, wenn sie denn zuvor ausreichend gehupt haben.

Bunt gemischt: Auf chinas Strasse kreucht und fleucht alles mögliche

Bunt gemischt: Auf chinas Strasse kreucht und fleucht alles mögliche

Erstaunlich oft geht das gut. Manchmal aber eben auch nicht. Und so bin ich jedes Mal, wenn ich im Taxi wieder einmal im Stau stehe auch ein bisschen froh darüber, dass der Fahrer so schon mal keine wirklich gefährlichen Geschwindigkeiten (zumindest für die Insassen – der Fussgänger ist natürlich auch hier wieder der Dumme) aufnehmen kann.
Eines ist bei dem ganzen Chaos aber sehr erstaunlich: Obwohl jeder drängelt, keiner den anderen rein- oder vorlässt und ein ständiges Wirrwarr herrscht, bei dem eigentlich keiner richtig vorankommt, bleiben die Fahrer zu jeder Zeit absolut emotionslos und ruhig. Es wird nicht geflucht, nicht gestikuliert, nicht belehrt. Es ist einfach so. Sie kennens halt nicht anders hier.

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Bericht zum Thema auf  Welt Online

Harakiri

10 Jul
1
Schneidauftrag

Schneidauftrag

Es kommt der Tag eines jeden in China für längere Zeit lebenden, an dem man den morgentlichen Blick in den Spiegel und den darin wiedergegebenen Haarwildwuchs einfach nicht mehr ertragen kann. Man kann es noch so lange herausschieben, irgendwann hilft alles stylen, kämmen, hindrapieren nichts mehr – der Friseurbesuch steht an.

Nun gibt es durchaus Lebenssituationen, die ohne Sprache fliessend zu beherrschen – quasi panthomimisch durchaus meisterbar sind. Einkaufen im Supermarkt gehört da zu den leichteren Übungen, weil man sich ja selbst bedienen kann. Einkaufen bei Starbucks ist sowieso für Anfänger, denn hier gibt es eine Rarität in Chinas Servicesektor: englischsprechende Verkäuferinnen. Beim chinesischen Bäcker geht`s auch noch. Man deutet einfach wie ein Kleinkind auf das Croissant und zeigt gleichzeitig mit der anderen Hand durch hochhalten einzelner Finger, die gewünschte Menge. Wo keine Registrierkasse mit Preisanzeige vorhanden ist, wir der Preis oft über einen Taschenrechner mitgeteilt. Also alles kein Problem.

Beim Friseur sieht das nun etwas anders aus. Ohne dem Figaro mitzuteilen, was man eigentlich will, ist das Risiko zu gross, dass dieser die Chance nutzt, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Ok, wenn man als Backpacker unterwegs ist, nicht ganz so angebracht aber, wenn man als Angestellter Montags mit einer grünen Strähne auftaucht (wird hier nicht selten bei jungen Menschen gesehen).

Mit Sahenhaube

Mit Sahenhaube

Ich gehöre zu zweiter Gattung und möchte daher zumindest ungefähr meine Wünsche kundtun, bevor der Haarbändiger zur Schere oder dem Farbtopf greift. Nun sind wir hier im Komplex in der konfortablen Situation, sowas wie eine Concierge zu haben, die den hilflosen westlern durch das Aufschreiben von Zieladressen auf chinesisch oder das anrufen bei Restaurants um Reservierungen zu machen gerne weiterhelfen. Erster Versuch war also, über die hilfsbereite Dame einen “english speaking hair dresser” ausfindig zu machen. Ein paar Telefonate, Nachschlagen in diversen Büchern, Kollegen Fragen. Das Ergebnis: Sowas scheint es in dieser Stadt nicht zu geben. In der Plaza (das ist die Mall über die Strasse) gäbe es aber einen Friseur und sie könne mir ja aufschreiben, wie ich die Frisur gerne hätte. Gute Idee! (Die Chinesen haben mich schon oft durch ihre pragmatische Kreativität wenn es darum geht, Probleme zu lösen, positiv überrascht). Ich nehme das Hilfsangebot gerne an und bitte sie meinen extrem langweiligen Frisurenwunsch zu notieren: “Bitte an den Seiten und Hinten etwas kürzer, oben etwas ausdünnen und in Form bringen”. Sie strahlt und schreibt. Ob es auch das gesagte ist, lässt sich freilich nicht prüfen, aber ich bezweifle, dass es meinen kompletten Auftrag abdeckt, denn das ganze passt auf die Rückseite einer Visitenkarte und besteht aus etwa 10 Zeichen. Egal.

Also freundlich bedankt – sie gelacht – Karte genommen und ab damit zum Friseur. Dort noch einmal der Versuch mit Englisch, doch der verläuft schon an der Türe im Sande. Die junge Dame, die da steht wiederholt ihre Frage zum 6sten mal und ich antworte zum 6sten mal geduldig: “Sorry no chinese – english?” Offensichtlich nicht, denn sie schaut mich nur etwas verdutzt an. Nächste Versuch: Mit der einen Hand einen Büschel Haar vom Kopf anheben, mit zwei Finger anderen eine scheindende Schere symbolisieren. Das klappt und mir wird der Weg zu meinem Platz gezeigt. Wow, ein Teilerfolg. Nun wirds nochmal brenzlig: Eine andere junge Dame kommt mit einem Notizbrett und möchte offensichtlich von mir wissen, was es denn sein soll. Ich wittere jetzt meinen Joker mit der vorhin vorbereiteten Karte nutzen zu können und halte ihn der etwas irritiert schauenden Dame entgegen. Sie liest, lacht, gibt ihn mir zurück und deutet erneut auf ihren Zettel. Was will sie nur? Ich schaue blöd in den Raum und entdecke eine ähnliche Liste wie die unter meiner Nase an der Wand. Darauf zu lesen, offensichtlich die verschiedenen Servicelevel, die angeboten werden – mit englischem Untertitel. Das ist doch was. Zur Auwahl stehen: “Styling artist”, “Styling artist director” und “Styling artist director supervisor”.

Ich überlege kurz und entscheide mich für den “Styling artist director”. Das hört sich kompetent aber noch nicht zu abgehoben an wie der “Styling artist director supervisor”. Es wird genickt, notiert und ich bereite mich darauf vor, dass es jetzt los geht. Doch vorher erstmal nochmal ne Liste. Dieses Mal ohne Untertitel und nicht so lang. Was soll ich hier wählen? Die Farbe? Den Schnitt? Alle pantomimischen Darbietungen meinersteits tragen nicht zur Klärung der Sitaution bei und als ich erneut meine Visitenkarte mit dem Schneidauftrag vorhalte wird nur gelacht. Ach was solls: Ich nehme die Nr. 4. Mal sehen was passiert. Sie nickt und zieht davon um nach kurzer Zeit wiederzukommen – mit einem Becher in der Hand. Darin Grüntee. Das habe ich also gewählt. Hätte schlimmer kommen können. Ich fühle mich etwas wohler.

Und dann gehts wirklih los. Aber wie, das überrascht mich. Eine erneut andere, junge Frau kommt – in der Hand etwas was aussieht wie ein Honigspender, den man aus dem Waffle House kennt. Ohne grosse Worte (es hat sich wohl rumgesprochen, dass das bei mir sinnlos ist), kippt sie mir den Inhalt über den Kopf. Ich wundere mich, ob es hier die Kopfmassage vor dem Schneiden gibt, doch beim einmassieren zeigt sich, dass das Shampoo war, dass mir gerade in die trockenen Haare geschmiert wurde. Interessant. Es wird einmassiert und geschrubbt und geknetet und tatsächlich sehe ich irgendwann aus, wie mit einer übergrossen Sahnehaube dekoriert.

Gerade will ich mich wundern, wie das Zeug jetzt wohl wieder runter kommt, da symbolisiert die junge Dame, dass ich aufstehen und ihr folgen soll. Mach ich natürlich. Mit meinem schwarzen Kimono, der einem zu Beginn angezogen wird und der Sahnehaube auf dem Kopf folge ich ziemlich bescheuert aussehend durch den ganzen Salon (der etwa 60 Frisierplätze hat und in dem es zugeht wie bei IKEA an einem Samstagnachmittag) zur “Auswaschstation”. Das ist auch was, was der Westler so vermutlich nicht kennt. Man legt sich auf eine der 15 in Reihe nebeneinander aufgestellten Relaxliegen und legt seinen Kopf in ein Waschbecken – dann kommt die weisse Pracht ab.
Anschliessen wieder zurück auf den alten Platz – und jetzt geht es doch dann sicher gleich los. Gefehlt. Jetzt gibt es erstmal ne gut 20minütige Sitzmassage. Mit voller Hingabe werden Nacken, Schultern, Rücken und sogar Arme und Hände geknetet, geklopft, gedrückt und gezogen. Ist ja ganz angenehm, aber eigentlich sollte das hier kein tagesfüllendes Programm werden. Die junge Dame verschwindet und es wird mir eine (natürlich chinesische) Zeitschrift gebracht. Ich tue nichts dergleichen und blättere sie durch wie ein Profi, bis ich als die Bilder kommen merke, dass ich sie auf dem Kopf halte. Die Frau neben mir lacht sich halb schlapp.

Dann endlich kommt der “art stylist director”. Ein junger Mann im legeren grauen Poloshirt, der natürlich auch kein Wort Englisch spricht. Er deutet mir, zu einem erneut neuen Platz zu gehen. Aha, die haben hier also ein Lean-System. Eigentlich nicht dumm. Nachdem die Damen davor mich nur irritiert angeschaut haben, versuche ich es doch etwas verunsichert noch einmal und gebe auch ihm wieder mein Kärtchen – und er nickt. Dann gehts wirklih los und es ist wie zuhause. Mit Schere, Kamm und Rasierer macht er sich flink ans Werk, “fragt” manchmal durch Zeichensprache nach ob die Länge passt und nach 10 Minuten ist alles vorbei und die Haare sind kurz, wie gewünscht. Es folgt das übliche Spiegel vor und hinter den Kopf halten und ich nicke zufrieden und denke dass jetzt das Styling kommt. Der Schnitt ist zwar ok, aber die Frisur sieht aus, wie frisch aus dem Bett. Es kommt aber kein Styling mehr. Ich werde zum Ausgang geleitet und freundlich lächelnd verabschiedet – aussehend wie ein Streber aus der ersten Reihe, mit meinen trocken nach vorne geglätteten Haaren. Die Situation zu klären scheint mir aussichtslos und so zahle ich die 78 RMB (ca. 9 Euro) für die fast 2-stündige Schamponier-massier-frisier-behandlung, wenn auch ohne Styling.
Zurück in der Eingangshalle des Apartmentskomplexes präsentiere ich stolz das Ergebnis vor der jungen Dame, die mir den kleinen Zettel geschrieben hat und sie ist offensichtlich zufrieden, lächelt und hält den Daumen hoch, als wenn sie mir deuten will: Geht doch auch ohne reden.

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Eiermann

Eiermann

Nachdem mit der U-Bahn zur Arbeit fahren, mit dem Taxi nach Hause finden und andere Basics langsam funktionieren, war es heute Zeit für den nächsten Schritt: Einkaufen.  Hört sich unspektakulär an, ist aber – zumindest für mich als betroffenen – spannender als man denkt.
Herausforderung Nummer 1 ist, den Supermarkt zu finden. Wer durch die Strassen läuft und darauf hofft irgendwann schon an etwas ählichem wie Spar, Lidl oder Tengelmann vorbeizukommen, der läuft lange. Ich weiss das, denn ich habs letzte Woche ausprobiert. Auf der Suche nach Obst und Fleisch findet man auf Strassenhöhe eher Schuhe und Taschen. Dabei wäre es eigentlich einfach, der nächste Supermarkt liegt nämlich direkt hinter meinem Compound. Aber in einem fensterlosen 1. Stock eines Gebäudes, in dem kein Mensch einen Supermarkt vermuten würde.

Also herein ins Vergnügen, mit dem Ziel, heute nur die Basics zu kaufen. Ein bisschen Milch, Eier, Brot und vielleicht noch etwas Süsses und Käse.

Vorbei an unedlich langen Regalen mit 5l Ölflaschen, meterlangen Regalen mit undefinierbaren Dingen und an einem unendlich lang erscheinenenden Stand mit bestimmt 30 unterschiedlichen Eierarten. Halt, Eier – die wollte ich ja. Nun wirds kompliziert. Neben den Varianten braun und weiss die man von Zuhasue kennt, gibt es hier noch gefühlte 200 Varianten, die sich in Grösse, Form, Musterung und Konsistenz erheblich unterscheiden. Manche scheiden von vornerhein aus. Zum Beispiel die bräunlich schmierigen Massen, die in Plastikbeutel abgepackt daliegen und aussehen, wie wenn sie das schon seit letztem Sommer tun. Da ich die Etiketten natürlich nicht lesen kann, muss ich mich auf die wenigen Packungen konzentrieren, die mit einem Bild des Inhalts verziert sind. Als nächsten scheiden alle Eier mit unnatürlichen Farben aus. Knallrot sagt genauso wenig zu wie tiefschwarz und durchsichtig wirkt erst recht suspekt. Ich nehme die, die auf der Pakcung aussehen wie Picknikeier. Also gekocht, innen gelb-orange und in normaler Grösse – also vermutlich vom Huhn. Am sonst vertraut aussehenden Eiersixpack verwundert nur, dass darin jedes einzelne noch einmal in Plastik eingeschweisst ist. Aber ds wird schon seine Richtigkeit haben…

Undefiniertes

Undefiniertes

Weiter gehts. Für die Fleischtheke fühle ich mich beim ersten Besuch noch nicht reif genug. Zu ungewohnt die Anblicke von allen möglichen Teilen aller möglichen Tiere. Getränke ist einfacher. Labels sind zwar nicht zu verstehen, aber Bier und Wasser scheinen auf der ganzen Welt ähnlich gelayoutet zu sein. Brot ist wieder interessanter. Einfach nur Brot scheint nicht auf dem Speiseplan des gemeinen Chinesen zu stehen. Stattdessen unzählige Varianten mit undefinierbaren Überzügen und Einschlüssen. Schliesslich kann ich ein Brot ergattern, das aussieht wie ein Vollkornbrot, sich aber anfühlt wie ein nasser Schwamm – das kommt mit.

Joghurt ist dann wieder einfach. Dank Bilder und eindeutig bekannten Markenlogos (wenn auch mit chinesischen Schriftzeichen) finde ich schnell das vertraute Danone natur pur. Das geht auch mit. Jetzt noch Käse. Die Suche dauert lange und endet kläglich. Zwei verschiedene Arten Scheibletten in den Ausprägungen “Cheddar” und “Gouda” ist alles was der Laden zu bieten hat. Das verwundert nicht, können die meisten Chinesen doch gar keine Milchprodukte abbauen. Also bleibt der Käse hier.

Undefiniertes 2

Undefiniertes 2

Zahlen und einpacken ist dann wieder einafch, heimtragen eher schwer. Daheim angekommen habe ich lust auf eines meiner gerade ergatterten Picknickeier. Plastikschweisspackung mit den Zähnen aufreissen, Ei rausholen – und dann dieser Geruch. So riecht kein Ei in Europa. Egal, jetzt nicht aufhören. Beim schälen, reisst das schlabberweiche Ei dann auf, der rötlichgelbe Eidotter fliesst wie Pudding heraus. Der Geruch verrät eindeutig, dass das nicht gut endet. Noch einmal schlucken, Mut sammeln und reinbeissen. Dann zum Waschbecken, alles ausspucken und Mund mit Cola ausspülen. Diese Ei ist vermutlich das ekligste, was ich je gegessen habe. Der Geschmack lässt sich noch nicht mal beschreiben. Eine Mischung aus ranziger Milch, Salz, Schwefel und altem Tiramisubisquit. Einfach nur eklig. Wie die anderen Sachen geschmeckt haben gibts dann im nächsten Beitrag.

Aus aktuellem Anlass noch ein Add-on zum Thema Lebensmittel in China von Achim

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Leisathome

8 Jul
4
Taube in der Flasche

Taube in der Flasche

Chinesen essen nur Reis und zu besonderen Anlässen Hund, Katze, Ratte und Schwan. So stellt sich manch einer die Esskultur im Reich der Mitte vor. Auch wenn damit nun Mythen zerstört werden, sag ich es dennoch: Der Chinese isst am liebsten gar keinen Reis.

Reis ist auch hier bestensfalls eine Beilage und Restaurants die etwas auf sich halten, servieren gar keinen Reis zum Essen. Im Gegenteil – die weissen Körner sind als “Arme-Leute-Essen” verpönt. Auch Hund, Katze, Maus und Schlangblut finden sich eher selten auf dem Mittagstisch des geeinsamen Chinesen. Zwar kann man hier allerhand kurioses finden, was es bei uns nicht gibt (und wenn es es gibt, dann nicht zum essen), grundsätzlich ernähren sich die Chinesen aber ziemlich ähnlich wie wir auch. Naturgemäss gibt es viel Gemüse, darunter auch welches, das man bei uns kaum kennt, wie die Lotuswurzel, die in Scheiben geschnitten oft im Teller zu finden ist.

Was es hier definitiv nicht gibt, sind die Nr. 32 und die 47, wie wir sie vom Chinesenrestaurant in Europa kennen. Süsssauer ist nicht wirklich typisch und Glückkekse nach dem Essen habe ich auch noch nie bekommen.

Home food

Home food

Dafür gibt es aber andere Kuriositäten: Hühnerfüsse (gekocht und kalt in Plastik eingeschweisst, als Snack auf dem Weg zur Ubahn), merkwürdig aussehende und noch merkwürdiger riechende Eier mit halbgeschlüpften Küken (gibts in jedem Lawson) oder Seegurke und Taube (schmeckt nicht und hat viele Knochen). Von solchen Exoten abgesehen, ist die westliche Küche durchaus sehr verbreitet. Direkt um den Apartmentkomplex in dem ich wohne gibt es alles, was den Eropäermagen verwöhnt: Italienisch, Südamerikanisch, Spanisch, Deutsch, Mongolisch, Thai,… Vieles in bester Qualität und die Pizza aus dem Steinofen ist hier genauso knusprig wie am Gardasee.

Und das beste kommt: Unter www.Sherpas.com.cn kann man aus den Speisekarten hunderter Restaurants online ein Menü zummenstellen und sich nach Hause liefern lassen. Das ganze kostet kaum mehr als im Restaurant und wird von einem ulkig drausschauenden, kleinen Chinesen mit Helm auf dem Kopf bis in den 27sten Stock problemlos geliefert.

Das ganze wurde heute erfolgreich getestet und hat auf jeden Fall Potential für viele kommende, faule Abende vor dem Fernseher.

In diesem Sinne: 津津有味 (guten Appetit – gesprochen: Man man qi)

Schland!

4 Jul
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Viele hundert Fans in Deutschlandtrikots, mit schwarz-rot-goldenen Flaggen im Gesicht, Vuvuzelas,  54`, 74`, 90`2010-Sprechgesänge, Bier aus 1-Liter Plastikeimer – das könnte Berlin sein. Ist es aber nicht. Stattdessen ist das Irishpub O`Malleys im Stadtteil French Consession der Treffpunkt der fussballbegeisterten, deutschen Expatgemeinschaft in Shanghai.

Früh dasein ist Pflicht. Bereits zwei Stunden vor Anpfiff lange Menschenschlangen vor dem Eingang, an dem es für 100 Yuan (umgerechnet ca. 12 Euro) einen Liter Bier aus einem Plastikpitcher dazu gab. Zwei grosse Festzelte mit Riesenleinwänden waren der Rahmen für eine unglaubliche Party, bei der man sich von einer Minute auf die andere nach Deutschland zurückversetzt fühlte. Blonde Haare, grosse Menschen, Schland-Rufe – es ging zu wie auf dem Oktoberfest.

Jedes Tor wurde mit fliegenden Bierplastikkübel “begossen”, was dafür sorge, dass nach dem 4:o jeder wie geduscht (aber nicht sauber) im Freundentaumel aus der Bar – in die nächste Bar stolperte. Auf der Strasse dazwischen Zustände wie auf der Stuttgart Theodor-Heuss-Strasse. Wenn auch ohne Autokorso, was nicht verwundert, da sich die Zahl der selbst fahrenden Expats doch stark im Rahmen hält.

Weiter ging die Party im Zapats. Auch hier der Deutschenanteil bei mindestens 90% und entsprechend ausgefallen die Stimmung. Freuen wir uns auf das Spiel gegen Spanien. Das werde ich in Changzhou sehen müssen. Mal sehen, ob die Exil-Deutschen dort auch so stark vertreten sind.

Neues Zuhause

3 Jul
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Apartment location

Apartment location

Heute war Umzug. Der mittlerweile dritte innerhalb eines guten Monats. Diesesmal gings von der ersten Anlaufstelle hier in der Stadt, dem Hotel, ins gemietete Apartment, das ich letzten Sonntag nach der Ankunft in China mit einer Househunterin ausgewählt habe.

Da sowieso noch alles in Koffer und Taschen verpackt war, reichte zum Transport des gesamten Hab und Guts dieses Mal ein einfacher Van der Hausvermittlung. Jedem, der seine Anzüge mal in sehr ungewohnter Knitter-Optik erleben will, dem empfehle ich übrigens diese einwöchige Frischekur im Koffer bei ca. 90% Luftfeuchte.

Das neue Zuhause liegt recht Zentral und praktischerweise direkt über einer Subwaystation, sowie einer der grös

sten Malls Shanghais (der Grand Gateway Mall – so heisst auch der Apartmentkomplex).  Im Gebäude gibt es diverse Einrichtungen, die zur Anlage gehören und dem Expat das Leben versüssen. So z.B. ein grosser Pool, einige Restaurants, eine Leseraum (wozu auch immer), Kinderbetreuung (dito), einen Tenniscourt und einen Golfsimulator (kein Witz). Die Wohnung selbst wird zweimal wöchentlich gereinigt.

Wie man sieht funktionieren das Internet (und damit Web-Radio) ebenfalls bereits und darum gibts anbei ein paar Fotos.

Besucher sind jerderzeit herzlich willkommen.

… mit diesem grammatikalisch nicht ganz korrekten Spruch in blecherner Computerstimme begrüsst einem ein jedes Shanghai-Taxi, wenn der Fahrer der typischerweise kein Wort englisch spricht, ein kleines LED-Display umklappt und damit symbolisiert dass das Taxi besetzt ist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass man eines bekommen hat. Und das ist die eigentliche Herausforderung in dieser Stadt. Dabei sind Taxen kein rares gut. Man sieht davon in den Strassen mindestens so viele wie “Zivilfahrzeuge” und meistens fahren sie mit einem hell leuchtenden, grünen oder roten LED-Schild durch die Strassen – dies bedeutet dass sie frei sind.  Angehalten werden sie an jeder möglichen und unmöglichen Stelle (mitten auf der Kreuzung einer 8-spurigen Strasse ist hier kein unmöglicher Ort) durch heben des Arms am Strassenrand. Soweit so gut.

Nun gibt es zwei Zeitzonen in der Taxiwelt: Die eine ist die, nenne wir sie mal, Kundenzeitzone. Diese ist vor allem tagsüber an schönen Tagen und Wochentagen. Es herrscht ein deutliches Überangebot an Taxen und entsprechen schnell und einfach ist es, eines zu ergattern. Die zweite Zeitzone ist die Taxifahrerzeitzone. Man trifft sie zur Rush Hour morgens und abends an Wochentagen, am Wochenende zur Ausgehzeit und zeitunabhängig bei Regen an. Wer in der Taxifaherzeitzone dringend irgendwohin gelangen will, der sollte genug Puffer einbauen, denn jetzt sind die Santanafahrer (Taxen sind in der Regel VW Santanas – übrigens das meistverkaufte Automobil der Welt) die Chefs der Strasse.

Winkend am Strassenrand kann man so locker Stunden verbringen: Heute ist ein Freitag. Die Fahrt heute morgen vom Hotel ins Büro war noch problemlos möglich, da am Hotel in der Regel ausreichend Taxen warten. Anders sah die Situation zum Feierabend aus. Jetzt will ganz Shanghai nach Hause und offensichtlich vorzugsweise mit einem Taxi. Das führt dazu, dass man bei 37 Grad (heute bisher wärmster Tag des Jahres) und 90% Luftfeuchte (das ist eher Norm hier) wie ein Depp an einer Strassenkreuzung steht und einem Taxi nach dem anderen Nachwinkt, das dann aber doch vorbei fährt. Die Position eines Fahrgastes ist an einem Freitagabend zur Stosszeit also sowieso schon schlecht und so kann man locker – wie in meinem Fall heute – 1:20 winkend am Strassenrand verbringen. Verschärft wird das ganze dann noch, wenn wie heute ein Gewitter aufzieht und sich mit dunklen Wolken und Blitzen am Horizont lauthals ankündigt.

Spätestens jetzt ist der Taxifahrer definitiv König und nimmt nur noch mit, wen er will. Westlich aussehende, blöd am Strassenrand winkende, mit ihren “Zielkarten” (Visitenkarten mit Name und Adresse des Ziels in chinesischer Schrift) in der Hand dastehende Ausländer sind da nicht unbedingt zuoberst in der Nahrungskette. So steht man und steht man und wechselt die Warteposition, das Winkverhalten, die Strassenseite in der Hoffnung dass sich irgendwann ein Fahrer erbarmt.

Helfen tut das freilich nicht viel. Erst nach knapp 1,5 Stunden als der Verkehr allmählich etwas nachliess, schaffte es eine Kollegin einen Taxifahrer anzuhalten. Frewillig war das freilich nicht. Er hatte die Wahl zwischen sie überfahren oder Vollbremsung. Es folgte das übliche Ritual: Visitenkarte vorhalten – Genervt/Unwissender Blick des Fahrers und chinesisches Gebrummel – Brille aufziehen und Innenbeleuchtung an – Karte etwas weniger genervt Zurückgeben – Innenbeleuchtung aus – LED-Display umklappen – blecherne “Welcome to take my Taxi-Stimme” – und Abfahrt. Eine Minute später: Wolkenbruch und Platzregen. Zum glück sassen wir jetzt im Taxi, denn spätestens nun sind die Fahrer die Herrscher des privaten Transporttums und die Wartezeiten werden noch länger.

Dass Meinungsfreiheit hier nicht unbedingt forciert wird war von früheren Aufenthalten natürlich klar. Doch wenn man hier wohnt, dann merkt man erst, wie ungewohnt es ist, spürbar am Zugang von diversen Informationen gehindert zu werden.

So gibt es hier einige Websites, die einfach nicht zugänglich sind. Dazu gehören Facebook, Google.com, Youtube, Twitter und diverse Blog-Seiten, die offensichtlich irgendwann durch zu weltoffene Seiten in Ungnade gefallen sind (ich hoffe dieses Schicksal trifft mich nach Veröffentlichung dieser Seite nicht auch). Damit kann man leben. Auch damit dass mache Seiten nur teilweise nicht gehen. Woran man sich jedoch schlechter gewöhnen kann ist die Tatsache, dass Artikel und seiten aktiv zensiert werden. So sind manche Artikel z.B. auf der Website der NY Times einfach nicht aufrufbar sind.

Interessant ist auch, dass irgendwo eine ganze Armee von Menschen sitzen und manuell die aufgerufenen Seiten prüfen muss. Anders ist es nicht zu erklären, dass Seiten an einem Tag gehen, am nächsten aber nicht mehr. So geschehen, mit der Seite über die ich mein Blog schreibe. Die ging anfangs. Dann war sie zwei Tage nicht zu erreichen (über VPN kann man die Sperren umgehen – da ging sie dann) und am Tag drauf ging sie wieder (offensichtlich wurde sie als “nicht gefährlich) eingestuft.  Ähnlich verhält es sich mit der Google-Bildersuche. Google.cn ist sowieso nicht erreichbar, diese Story ist ja hinlänglich aus der Presse bekannkt. Was dafür geht ist Google.hk – also die Hong-Konger Seite. Wenn man dort jedoch entsprechende Suchbegriffe eingibt (und damit meine ich keine anstössigen Wörter), erscheinen lediglich rote Kreuez anstelle der Bilder.

Man muss sich wohl daran gewöhnen Auch daran, dass die Leitungen teilweise extrem langsam oder Seiten gar nicht verfügbar sind. Mal sehen, ob diese Seite morgen noch verfügbar ist.