In China hingegen ist es erst einmal schon gar nicht sonderlich verbreitet überhapt in Bars und Clubs zu gehen. Natrürlich gibt es Clubs und in Shanghai und anderen grossen Stätden und die sind mitunter moderner, grösser und trendiger als viele der Tanzlokale in Europa. Und natürlich sind da auch Chinesen drin. Ganz schön viele sogar. Aber es gibt eben auch überall ganz schön viele Chinesen und die, welche in den Clubs abtanzen sind eben eher die Minderheit. Nicht selten handelt es sich bei den Bar- und Clubchinesen übrigens um die Kosmopliten, welche mal eine Weile im Ausland gelebt haben, oder die ausländische Freunde haben, oder eben besonders cool und westlich sein wollen oder Westler kennenlernen möchten. Letzteres ist übrigens bei den Chinesinnen nicht selten der Fall, da westliche Männer per se als reich gelten. Der ganze, grosse Rest der jungen Leute ist hingegen meist nicht in den verrauchten Clubs zu finden. Die sitzen entweder mit Freunden in einer kleinen Kabine im sogeanannten “KTV”, also einem Karaokeladen oder Zuhause und chatten, spielen Karten oder schauen DVD. Das ist kein Witz. Ich habe hier schon mehrere Leute kennengelernt, manche davon bereits 30 und drüber, die noch nie in ihrem Leben in einer Bar waren. Von einem Club ganz zu schweigen. In vielen chinesischen Familien sind solche Spasshöllen verpönt und es gehört sich schlicht nicht, sich dort die Abende um die Ohren zu schlagen.
Da soll jetzt mal wieder einer die chinesische Logik verstehen! Wo liegt denn da der Unterschied zwischen einem verrauchten, lauten, dunklen Kämmerchen in einem Karaokeladen, in dem sich junge Leute literweise Alkohol in den Kiefer kippen und dabei lautstark in ein Mikrofon grölen und einem Club in dem im Endeffekt genau dasselbe passiert? Aber so ist es halt. Auch ich war übrigens ein paar mal in solchen KTVs. Das ist hier ne ganz grosse Sache und vom 16 Jährigen bis zum General Manager von internationalen Weltkonzernen ist hier jedes Publikum zu finden. KTV ist Kulturgut. Man geht dort meist mit ein paar Freunden hin, übrigens auch gerne mal an einem Sonntag Vormittag und mietet einen der unzähligen Räume welche wiederum eher kleine Hotelzimmer ohne Bett, dafür aber mit einem schmuddeligen Ledersofa sind. Dann sitzt man da mit seinen Kumpels auf dieser speckigen Ledercouch, welche eher an einen Stripclub erinnert und bestellt massenhaft Alkohol und Früchte und trinkt und raucht und singt bis man eben nicht mehr kann. Und je länger der Aufenthalt geht, desto lauter und schräger singt man. Der Vorteil dieser kleinen Kabinen ist, dass man eine gewisse Privatsphäre darin hat. Das heisst Fremde sehen einem nicht, sie hören einem maximal. Das ist wiederum besonders praktisch für die zahlreichen jungen Päärchen, welche hier üblicherweise lange zuhause bei ihren Eltern wohnen wohin sie ihren Partner vor der Hochzeit nicht bringen können. Ob die in den Kabinen nur singen wage ich zu bezweifeln. Vielleicht ist das KTV ja auch darum spannender für die Chinesen als der Club. Es gibt übrigens zwei Arten von KTV. Die eine ist die oben beschriebene, in denen sich die Jugend oder Geschäftsleute treffen. Die andere Sorte ist den Männern vorbehalten. Wie man die beiden voneinander unterscheidet, weiss ich nicht, aber so wurde es mir erklärt. In die Männervariante geht man(n) logierscherweise ohne Frauen. Diese gibts dann dafür vor Ort im Eingangsbereich zur Auswahl und der Gast entscheidet einfach, welche mit in die Kabine sollen. Und naja dann singt man eben mit ihnen und trinkt und lässt sich von Ihnen mit Früchten füttern und ich gehe davon aus dass der Fantasie da keine Grenzen gesetzt sind.
Wer von seinen Chinseischen Kollegen zu einem KTV-Besuch eingeladen wird sollte die übrigens unbedingt annehmen. KTV-Abende gelten hier als Team-Building-Massnahme und wer an einem Geschäftsabschluss interessiert ist, der erhöht seine Chancen auf Erfolg im Laufe eines solchen Abends und nach 10 Litern warmem Reisschnaps gewaltig. Noch eine Warnung: Chinesen sind extrem gute Sänger. Alle! Das ist ja auch kein Wunder wenn man quasi im Karaokeladen aufwächst. Kein Scherz, die meisten Chinesen nehmen das Gesinge mitunter bierernst und üben sogar zuhause. Wer hier also meint er kann mit einem schräg geträllerten “Marmor, Stein und Eisen bricht” einen beeindrucken, der wird meist überrascht.
Nun aber zum Club. Wie schon gesagt, natürlich gibt es hier Discos und natürlich gehen da auch immer mehr junge Chinesen hin. Nur eben noch lange nicht die Mehrheit. Discos in China sind anders aufgebaut, als die Grossraumdiscotheken bei uns. Meist gibt es neben der Tanzfläche, welche gewöhnlich sehr klein ausfällt keinen Platz um herumzustehen. Also vorsicht, normalerweise in der Ecke stehenden Männer. Stattdessen ist der ganze Raum komplett voll mit Tischen und Couchecken. Diese kann man, beziehungsweise wenn man nicht blöd in den Gängen stehen und ständig von den Kellner rumgeschubst werden will, muss man mieten. Und der Spass ist nicht gerade billig. Für eine gute, sprich repräsentative Couchecke in Tanzflächennähe und mit gutem Blick auf die weibliche Kundschaft werden schnell mehrere hundert Euro fällig. Ernsthaft. Dafür sind Getränke, Fruchtplatten und kleinere Snacks, sowie ein eigener Kellner der ständig am Tisch steht und die Gläser auffült, einem Feuer gibt und die Gäste aufs Klo begleitet (dazu später mehr), dann meist inklusive. Die Dekoration der meisten Clubs würden wir Westler wohl im besten Fall als pompös, üppig, ausgefallen beschreiben. Kitschig und übertrieben trifft es in meinen Augen meist besser. Goldene, ausladende Kronleuchter, überall Spiegel, Wandgemälde, Samtvorhänge, reichhaltige Goldverzierungen und Kristalltische sind total angesagt und gelten als chic.Getrunken wird hier übrigens auch. Allerdings sind auch hier die kulturlellen Unterschiede allgegenwärtig. Während bei uns Bier und Mixgetränke aus Vodka und Softdrinks ganz gross sind, sind solche Billigmischungen bei Chinesen, die was auf sich halten verpönt. Stattdessen wird Whiskey und Champagner flaschenweise bestellt. Geliefert werden diese dann gerne mit kleinen Feuerwerken und Wunderkerzen versehen, damit das anwesende Publikum auch sieht, wer hier gerade eine 150 Euro Flasche Moet Chandon auf den Kopf haut. Während der Champagner pur getrunken wird, mischt man den Whiskey üblicherweie meist mit kaltem, grünen Tee. Das hört sich eklig an und das ist auch eklig. Und ich kann euch auch sagen: Das fühlt sich vor allem spätestens nach dem dritten Glas auch verdammt eklig an. Vom nächsten morgen ganz zu schweigen. Hier ist das Zeug aber allseits beliebt und getrunken wird es nicht wie bei uns einfach so nebenher, sondern man schiesst sich damit kontrolliert und gezielt ab. Dazu liegen in jeder Bar und in jedem Club pro Tisch mehrere Würfelbecher bereit, mit denen dann den ganzen Abend oder eben so lange bis man nicht mehr kann, die unterschiedlichsten Trinkspielchen gespielt werden. Einige Varianten gehen so ähnlich wie das uns bekannte “Mäxle”, andere habe ich bis heute nicht verstanden. Das sit aber eigentlich auch nicht wichtig, denn das Ziel ist immer dasselbe: Wer verliert, der trinkt. Und zwar auf Ex, also das ganze Glas auf einmal. Das nennt sich dann “Ganbei”, was so viel bedeutet wie Kopf in den Nacken und weg damit. Und das geht so den ganzen Abend. Getanzt wird auch, aber üblicherweise eher von den Ausländern und wenn die Chinesen tanzen, dann ist das meist ein lustiger Anblick. Vielen Chinesen scheint jegliches Taktgefühl völlig zu fehlen und so bewegen sie sich meist recht steif in einem Rythmus, welcher mit dem der Musik rein gar nichts zu tun hat. Auch gern gesehen und vor allem bei den weiblichen Tänzern verbreitet sind einstudierte, kleine Choreographien, die aus Muskvideos abgeschaut werden und recht amüsant ausschauen, wenn sie mit der entsprechenden Steife ausgeführt werden. Ansonsten bleibt man aber lieber unter sich und so mischen sich die Coucheckengruppen kaum und wenn dann nur nach gehörigem Alkoholkonsum. Die Chinesen sind von Natur aus eher Zurückhaltend und fremde Leute spricht man nicht einfach an. Das erklärt übrigens auch, warum die meisten Päärchen hier sich über die Familie, gemeinsame Freunde oder in der Schule kennenlernen. Es gibt jedoch eine Aunahme zur Tradition dass man unter sich bleibt. Nämlich wenn Frauenmangel am Tisch herrscht. Und das ist bei rund 60% Männern in China (der one-child-Politik und jahrelanger, gezielter Abreibung von Töchtern sei dank) öfters der Fall als man denkt. In diesem Fall wird die Anzahl der Flaschen-mit-Feuerwerk-Bestellungen einfach erhöht und wenn Damen im Club sehen, wer sich solch teure Getränke leisten kann, dann finden sie sich auch bald am Tisch mit den einsamen Männerherzen ein.
Unbedingt zu einem Chinesischen Club gehören auch die Showeinlagen. Eigentlich sind die viel wichtiger als die Tanzfläche, beziehungsweise die Tanzfläche ist für die Showeinlagen da. Von unter einer laufenden Dusche lasziv tanzenden und spärlich bekleideten Frauen über tanzende Männer in Karrotten-, Kürbis- und Selleriekostümen bis hin zu, männlichen Pole-Dancer im Tütü, einer in ganz Shanghai ständig auftretenden, deutlich übergewichtigen Kopie von Lady Gaga und peinlichen Miss- und Traumpaarwahlen mit kindlichen Spielchen habe ich hier schon alles gesehen.
Ebenfalls sehr verbreitet sind Mottoabende. Zu diesen wird dann der ganze Club aufwändig in eine Raumstation, ein Disneyland oder eine Eisstadt umdekoriert und auch die Mitarbeiter werden entsprechend eingekleidet. Dann bekommt man sein Bier eben von Winnie de Pooh oder Donald Duck oder einem Darth Wader Verschnitt serviert. Die Chinesen scheinen diese Faschingsanflüge zu lieben und so ist die Stimmung an solchen Abenden meist erst recht ausgelassen und es wird noch mehr gewürfelt.
In den Clubs in denen vor allem Chinesen hingehen ist dann entsprechend auch verhältnismässig früh Feierabend. Üblicherweise sind spätestens um halb zwei Uhr morgens alle anwesenden so dicht und haben zu diesem Zeitpunkt bereits mindestens einmal die Dienste des Kotzhelfers in Anspruch genommen, dass die Party kurz darauf vorbei ist.