Shanghai liegt auf einem Breitengrad mit Marokko und im Sommer herrschen hier gut und gerne schwüle 40 Grad. Die durchschnittliche Jahrestemperatur liegt bei 17 Grad und generell herrscht ein subtropisches, mildes Klima.
Die Winter sind typischerweise kurz und Temperaturen unter 0 Grad sind durch die Meereslage ungewöhnlich. Gleichzeitig ist die Jahreszeit zwischen Oktober und März die trockenste in der es nur selten Niederschläge gibt. Unter diesen Bedingungen verwundert es nicht, dass Schnee in Shanghai ein sehr seltenes Gut ist. In der Vergangenheit, das berichteten mir Kollegen und Freunde, schneite es nur jedes Jahrzehnt einmal. Dank Klimawandel hat sich dies jedoch in den letzten Jahren verändert und so gab es in den vergangenen Wintern durchaus mal die eine oder andere Flocke.
Und so auch dieses Jahr: Pünktlich zum Nikolaustag wurde aus Regen allmählich Schnee der die Stadt innerhalb kürzester Zeit in eine ungewohnte Winterlandschaft verwandelte. Die paar Schneeflocken, die in Europa wohl niemanden in Euphorie versetzt hätten, führten hier mitunter dazu, dass junge Leute dick eingemummt nach draussen gingen um das seltene Ereignis auf Fotos festzuhalten.
Auch uns Westler beeindruckte der Anblick der verschneiten Palmen und der Ruhe, die das weisse Glück auf einmal in diese sonst immer quirlige Stadt brachte. Die normalerweise zu jeder Tageszeit wuselnden Scooterfahrer waren auf einmal verschwunden, VW Santanas schlichen mit dicken Schneehauben durch die Strassen und Palmen wirken wie im Winterschlaf und mit Puderzucker bestreut.
Gleichzeitig durften wir jedoch auch herb erfahren, dass diese Stadt nicht für den Winter ausgelegt ist: In der Wohnung war es trotz Klimaanlagenheizung auf höchster Stufe und zusätzlichem, mobilem Ofen bitter kalt und abends im Restaurant assen wir in unseren dicken Winterjacken. Zentralheizungen gibt es in China nämlich nur im Norden des Landes (die Grenze verläuft knapp nördlich von Shanghai) und dort bedeutet Zentralheizung auch wirklich, was es besagt: Gesteuert wird die Temperatur nämlich nicht von den Bürgern selbst, sondern zentral in einer eigens dafür zuständigen Behörde. Und laut der beginnt der Winter genau am 15. November und endet exakt am 15. März. Wer davor schon friert (was in Peking wo es auch im Oktober schon Minusgrade haben kann nicht aussergewöhnlich ist), der muss sich eben wärmer anziehen – die Heizung bleibt auf jeden Fall kalt. Praktischerweise lassen sich die Heizkörper, wenn sie denn mal laufen dafür auch nicht wie bei uns gewohnt regulieren – stattdessen wird die Innentemperatur über öffnen oder schliessen der Fenster gesteuert.
Doch wie gesagt: Die Regierung hat beschlossen, dass in Shanghai eine Heizung nicht notwendig ist und so hat man konsequenterweise auch gleich die Isolierungen der Häuser eingespart. Stattdessen dringt die Kälte ungehindert durch Wände, Fenster und Türen und während die Klimaanlage die warme Luft auf Kopfhöhe verstäubt, bleiben die Füsse meist bitter kalt. Dagegen weiss sich der pfiffige Shanghainese aber dafür mit allen möglichen, kreativen Mitteln zu wehren. So hat im Winter beispielsweise jeder Roller, der was auf sich hält fest angebaute und dick gefütterte Riesenhandschuhe, die die Finger angenehm warm halten. Ergänzt wird das Winteroutfit durch modische Stulpen, die man noch aus dem Dirty Dancing Film kennt und auch gern gesehen werden Mund- und Ohrenschützer in allen möglichen Farben und auch gerne im feschen Pandabärenstil mit aufgenähtem Gesicht. Auch ein Renner sind Fellmützen in diversen Ausführungen, darunter Bären, Mickeymäuse und sonstige Comicfiguren.
Die gute Nachricht ist, dass so kalte Tage wie dieser mit Schnee die Ausnahme sind und so herrschten schon 3 Tage danach wieder angenehme 12 Grad – damit lässt es sich auch ohne Isolierung ganz gut leben.