Wenn man an Chinesen denkt, dann hat man normalerweise automatisch Namen wie den des “Herrn Li”, der “Frau Chen” oder einer “Huai Lu” im Kopf. Die meisten Europäer wissen auch, dass hier Vor- und Nachname im Vergleich zu unseren Gewohnheiten vertauscht sind. So würde man den “Bernd Maier” hier also mit “Herr Maier Bernd” ansprechen, bzw. nur mit Maier, wenn man ihn besser kennt. Sprich die “Liu Li” heisst mit Vorname “Li” und wird dennoch mit “Liu” angesprochen. Daran gewöhnt man sich schnell. Zudem haben die traditionellen, chinesischen Namen meist eine tiefere, positive Bedeutung und sind daher sehr individuell und erfüllen die Träger mitunter mit Stolz.
Nun finden Chinesen aber grundsätzlich alles trending was westlich wirkt und dazu passen die traditionellen Namen wie “Bi” (bedeutet soviel wie; gründe Jade), “Ju” (Chrisanthene), “Fang” (wohlriechend, duftend) und “Jiao” (bezaubernd, liebenswert) in den Augen Vieler aus dem Reich der Mitte nicht mehr.
So kommt es, dass fast alle Chinesen neben ihrem traditionellen Namen, einen modernen, westlichen Namen – einen sogenannten “English Name” besitzen, mit dem sie auch überwiegend angesproche werden (wollen). Für diesen Zweitnamen gibt es auch auf jedem, amtlichen Formular ein entsprechendes Feld und er wird auch offiziell im Reisepass als Zweitnamen eingetragen.
Den “English Name” erhalten die Kinder meist nicht wie den traditionellen, chinesischen Namen zur Geburt von ihren Eltern, sondern üblicherweise von Ihrer Englishlehrerin in der ersten Unterrichtsstunde. Was sich diese bei der Namensgebung manchmal dachten, ist allerdings teilweise schwer nachzuvollziehen. Ganz besonders, wenn man hier mal wieder Menschen begegnet, die sich als “Sky”, “Horst”, “Alf”, “Walter”, “Sissi” oder “Homer” vorstellen. Und das passiert nicht selten, sondern eher täglich. Vermutlich war dem Namensgeber die Bedeutung und Wirkung oft einfach gar nicht bewusst und es hörte sich schlichtweg westlich, damit modern und damit gut an.
Wenn man nun eine Weile in China wohnt, dann gewöhnt man sich recht schnell an diese teilweise amüsanten Namen und stellt fest, dass vor allem die typisch amerikanischen extrem gern gewählt werden. So trifft man fast täglich einen neuen Frank, Mike, Joe, eine Jenny, oder Jack, Bert, Susanna, Grace, Sophie und so weiter und so fort.
Bei manche muss man dann aber doch auch nach einer Weile noch zweimal hinsehen oder hinhören. So erging es mir zum Beispiel kürzlich, als ich einen gewissen “Super” (er ist von Beruf Autoverkäufer) in einer Schulung kennengelernt habe. Passend dazu war auch gleich noch ein “Turbo” vertreten und eine andere, junge Dame ein paar Tische weiter hatte ein Namensschild mit dem wohlklingenden Wort “Barbie” vor sich stehen. Schwer vorzustellen, in Europa mit solchen Namen durch die Welt zu gehen.
Doch es geht auch noch viel abstruser: So habe ich persönlich vor kurzem einen adretten, jungen Herrn, vielleicht Mitte 30 kennengelernt. Mit seinem gut sitzenden Anzug und dem akkuraten Haarschnitt wirke er auf den ersten Blick wie ein aufstrebender, sympathischer Geschäftsmann.
Allerdings nur bis wir uns die Hand schüttelten (was Chinesen übrigens eigentlich nicht tun) und er sich mir mit den folgenden Worten vorstellte: “Hi, my Name is Garfield”. Ich musste mich sehr beherrschen, nicht loszulachen und dachte erst, mich verhört zu haben. Also wiederholte ich zögerlich: “Garfield” ?! Er bestätigte stolz: “Garfield”.
Es war nicht möglich, ein Grinsen zu verbergen und zugleich war der erste, seriöse Eindruck von einer Sekunde auf die nächste dahin. Wie nur um alles in der Welt kann man auch seinen Schüler, sein Kind oder was auch immer nach dieser dicken, dummen, faulen, orangenen Katze benennen?
Die einzige, plausible Erklärung und Entschuldigung muss sein, dass wer auch immer sich diesen schrecklichen Nickname ausgesucht hat, keine Ahnung hatte, wer dessen Namenspatron war und “Garfield” einfach nur für einen wohlklingenden Namen für einen jungen, netten Mann hielt. Bei allen anderen Beweggründen muss man Boshaftigkeit unterstellen. Dass der Arme vermutlich egal wie gut er arbeitet niemals in einem westlichen Unternehmen Karriere machen wird, weiss er wahrscheinlihc bis heute selbst nicht.
Noch härter hat es einen anderen jungen Mann getroffen. Diesem bin ich zwar bisher selbst nicht begegnet, aber dennoch zögerte ich keine Sekunde zu glauben, dass die Geschichte, die mir von einem Kollegen erzählt wurde wahr ist; Dieser berichtete mir, dass er kürzlich, den Vertriebsleiter eines namhaften Weltunternehmens bei sich zu Besuch hatte. Der Mann hatte noch einen Begleiter dabei, dessen Name für einen Chinesen ja bereits reichlich kurios anmutete. Er heisst nämlich “Berndhard”. “Bernhard Xiu” um genau zu sein.
Soweit ja noch so gut – doch dann stellte sich besagter Vertriebsleiter selbst mit dem Namen “Monster” vor “Monster Chen” (Chen ist hier übrigens ungfähr so einmalig wie Müller in Europa). Bei allem Respekt, aber wer in dieser Situation nicht laut loslachen muss, den beneide ich doch sehr um seine Disziplin. “Monster” – wie kann man nur um Himmels willen so heissen und das auch noch gnadenlos bis ins hohe Alter (der Mensch war angeblich um die 45) durchhalten? Wohlgemerkt: Der gute Mann sprach fliessend englisch und war sich der Bedeutung dessen, was die Menschen rufen, wenn sie eigentlich Ihn meinen sicherlich wohl bewusst.
Und so trifft man hier täglich wieder auf neue Menschen mit amüsanten Namen und ist dennoch sehr dankbar, dass sich diese “English Names” trotzdem durchgesetzt haben. Denn sich einen “Huaihi Chen” zu merken, oder eine “FeiFei Xiuhji” fällt doch noch erheblich schwerer, als nicht laut loszulachen, wenn man mal wieder auf dem Namensschild eines 20jähirgen Kelnner den Namen “Horst” liest.
Eine Nachteil haben die English Names im täglichen (Arbeits-)Leben dann aber doch. Will man nämlich seinem chinesischen Kollegen eine Email schicken, dann sucht man oft vergeblich im digitalen Adressbuch nach Andy, Jack oder Cindy. Denn die Administratoren pflegen meist nur die “Chinese Names” und so muss man dann doch wissen, dass Jeff eigentlich “Huai Xianhuda” heisst und das vor allem auch noch richtig in die Adresszeile eintippen.
Übrigens gibt es das Ganze auch genau andersherum: So bekommen viele Ausländer hier von ihren Kollegen, Mitschülern und Mitstudenten “Chinese names”. Ich habe bereits während eines früheren Chinabesuchs von einem Arbeitskollengen einen erhalten: “小馬哥” bedeutet “Little Brother Ma” (von Markus) und das heisst ungefähr soviel wie “Little Horse Brother” – also kleiner Pferdebruder (Ma = Pferd). Diesen Spitznamen trägt übrigens auch der taiwanesische Präsident Ma Ying-Jeou und man hat mir mehrfach und glaubhaft versichert, dass es ein sehr ehrwürdiger Name sei, auch wenn er auf mich etwas lächerlich wirkt. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als das zu glauben und zu hoffen, dass sich die Menschen, denen ich mich als kleiner Pferdebruder vorstelle nicht wie ich das Lachen verbergen müssen, wie damals, als ich erstmals auf Garfield traf.
Schreibe einen Kommentar: Klicke auf “weiterlesen”: