Ein Festzelt mit bayrisch – weiß/blauer Innendekoration, ein Buffet mit Weisswürsten, süssem Senf, Kassler, Sauerkraut und Schweinshaxen, Bier satt aus grossen Krügen und dazu eine deutsche Schlagerband die voller Hingabe „Cowboy und Indianer“ schmettert, unterbrochen von „Alle Krüge nach oben – Oans, zwoa, gsuffa“ bzw. “Yi, Er, San – Ganbei” (das heisst dasselbe auf Chinesisch) – Parolen und das Ganze im Herbst.
Wo befinden wir uns? Genau - In Shanghai. Die ausgelassenen Menschen, die da auf den Bänken und (in München und Stuttgart mit Höchststrafe, sprich Zeltverweis belegt) Tischen tanzen – teilweise in Dirndl und Lederhosen, meist aber in Zivil gekleidet sind überwiegend schwankende Chinesen, die sich im Umgang mit dem deutschen Roggensaft in Kombination mit weiteren deutschen Rauschbeschleunigern wie “Kleiner Feigling”, “Obstler” oder “Jägermeister” mangels Training etwas schwer tun. Die Stimmung ist ausgelassen wie in München, das Bier fliesst in Strömen und lauthals wird das „Fliegerlied“ oder „Die Hände zum Himmel“ mitgejolt. Dass drei Viertel die Texte weder kennen, geschweige denn verstehen tut der Feier keinerlei Abbruch.
So sieht deutsche Kultur in den chinesischen Augen aus und jeder will mitmachen. In unserem Fall geschah dies im Zuge einer Firmenveranstaltung auf einem der übrigens zahlreichen Oktoberfeste in der Stadt, die hier im September und Oktober veranstaltet werden (das grösste übrigens bereits seit 12 Jahren). Meistens sind es Hotels oder die bekannte, deutsche Restaurantkette „Paulaner“ (von der es hier 3 Niderlassungen gibt), die grosse Festzelte in ihren Innenhöfen aufstellen und Deutsche Bierzeltkultur in das Reich der Mitte bringen.
Vieles erinnert sehr an das Münchner Vorbild, doch es gibt auch einige Unterschiede, die aber vor allem das überwiegend einheimische Publikum mit sich bringt. Das beginnt schon mit den Betriebszeiten. Während sich auf der Wiesn um 9 Uhr morgens lange Schlangen vor dem Zelt bilden, wird hier lediglich abends gefeiert. Um 19 Uhr ist Einlass, ab 20 Uhr spielt die aus Deutschland importierte Volksmusikband und um 21 Uhr sind die meisten Chinesen bereits so strunzblau, dass sie sich schon wieder auf dem Heimweg machen. Das hat übrigens mehrere Ursachen: Einerseits ist der chinesische Körper das deutsche Bier einfach nicht gewohnt (lokales Bier hat ca. halb so viel Alkohol und man trinkt es vor allem nicht aus Halblitergläsern), zum anderen hat der Chinese merkwürdige Eigenheiten entwickelt, wenn es um Alkoholkonsum geht: Gläser werden mit Vorliebe nach dem Anstossen „Bottom Up“ – sprich: auf Ex – getrunken. Fatal wenn man dabei einen frisch aufgefüllten Masskrug in der Hand hält.
Dieses Trinkverhalten lässt sich übrigens nicht nur im Festzelt beobachten. Auch in Clubs, auf Firmenfeiern oder bei einem richtigen, chinesischen Abendessen wird sich koordiniert betrunken. Das geschieht einerseits wie Beschrieben durch ständiges Anstossen mit anschliessendem Sturztrinken oder durch simple Würfelspiele – zu diesem Zweck findet man in fast jedem Club Würfelbecher und Würfel auf den Tischen. Hauptsache es geht schnell und man kann sich schnell daneben benehmen. Und das kommt dann auch nicht zu knapp: Es wird gebechert, getanzt, gejolt, geschwankt und gekotzt was das Zeug hält – also nicht anders als Zuhause in Deutschland. Nur findet das ganze hier bei gefühlten 60 Grad statt und einen grossen Unterschied gibt es dann doch noch: Im Eintritt sind Buffet und genau 3 Biermarken pro Person enthalten. Wer die getrunken hat liegt im Falle eines Chinesen unter dem Tisch und sitzt im Falle eines Europäers danach auf dem Trockenen. Nachkaufen geht nicht und so sind um 21 Uhr (man erinnert sich: um 20 Uhr geht’s los) nicht nur alle bedient sondern die meisten Chinesen auch bereits sturzbetrunken im Taxi auf dem Weg nach Hause… Prost.
www.shanghaioktoberfest.com/
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