Pro Patria

1 Aug
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Alphornbläser auf dem Dach des schweizer Expo Pavillons. Ein skurriles Bild.

Alphornbläser auf dem Dach des schweizer Expo Pavillons. Ein skurriles Bild.

Man sagt den Schweizer nach, dass sie ein patriotisches Volk sind und hat damit sicherlich nicht ganz Unrecht. Und was dem Schweizer mindestens so wichtig wie Schokolade, Berge und Käse ist, das ist der Nationalfeiertag, der alljährlich am 01. August feierlich angegangen wird. Nun habe ich schon viele 1. August-Feiern miterlebt, aber dieses Jahr war es dann doch ein spezielles Erlebnis. Ein Kollege (Schweizer) hat über den Shanghaier Auslandsschweizerverein Karten für die 1. Augustfeier im schweizer Pavillon auf der Expo besorgt, der für diesen Anlass extra für die (chinesische) Öffentlichkeit gesperrt wurde (übrigens sehr zum Unmut der Chinesen, die vor allem auf den Sessellift abfahren, mit dem man durch und über den Pavillon fahren kann).

Es war mein erster Besuch auf der Expo und im Vorfeld wurde schon viel über die unglaublichen Menschenmassen, die langen Schlangen und das riesige Gelände berichtet. Doch wenn man dann zum ersten mal wirklich dort ist, bleibt man dennoch mit offenem Mund stehen. Das Gelände ist unglaublich riesig und vor dem Pavillons schlängeln sich Menschenmassen in überdachten Wartegattern, die zeitweise mit Wasserniesel besprüht werden in der Gluthitze und warten bis zu 3 Stunden!! um in den Pavillon gelassen zu werden (wo der gemeine Chinesen übrigens nichts angeschaut, sondern nur auf kürzestem Weg zum “Stempelstand” eilt um den begehrten Tintenabdruck in seinen Expo-Pass drücken zu lassen, bevor er sich in die nächste Schlange stellt).

Kulturaustausch in der Praxis

Kulturaustausch in der Praxis

Der Schweizer Pavillon befindet sich wie im echten Leben direkt neben dem deutschen und mit unserem 1. Augustanstecker wurden wir mit einem heimatlichen “Grüezi” eingelassen. Das Publikum hielt sich zahlenmässig sehr im Rahmen und so konnte man in aller Ruhe gemütlich durch den wirklich genial gestalteten Pavillon schlendern, wo sich an normalen Tagen 70.000 Menschen/Tag !!! durch die Gänge und Räume quetschen. Das Highlight dieses Pavillons, wenn nicht der ganzen Expo ist ein Sessellift, der sich durch den Stand in luftige Höhe auf das Dach schraubt, auf dem eine echte, schweizer Alpenwiese mit Bergen und Kuhglockengebimmel angelegt ist. Es ist ein absolut bizarres Bild, wenn man inmitten dieser Mollochstadt, der es durchaus an Grün mangelt über eine echte (importierte) schweizer Wiese mit Berggräser und Enzianen schwebt und dabei auf die Skyline dieser unglaublichen Stadt schaut.

Durch die wenigen, geladenen Gäste war der Sessellift nicht annähernd ausgelastet und so konnte man unbeschränkt seine Runden fahren und nur zum Bier oder Weisswein, die ebenfalls aus der Schweiz importiert waren, auffüllen kurz aussteigen. Ein Riesenspass. Gegen später gab es dann ein riesen Buffet mit allen möglichen Spezialitäten aus der Heimat, darunter bündner Rauchfleisch, Raclette, Servelat, Bratwurst und was das eidgenössische Herz sonst noch so begehrt und vor allem im Reich der Mitte vermisst.

Bizarr-kitschiges Highlight war im Lauf des Abends der Auftritt eines extra dafür eingeflogenen Jodlervereins und einem Alphornquartett, welches sowohl im, wie auch in den Alpenwiesen auf dem Dach des Pavillons spielte. Bei diesem Anblick ereilte uns ein unglaubliches Verlangen, Barfluss in einer schweizer Bergwiese zu stehen und mit etwas Überredungsgeschickt wurde uns erlaubt, was kein Chinese je zuvor durfte: Wir wurden auf das Dach gelassen und durften schuhfrei einen Spaziergang durch die Alpenlandschaft machen. Und das bei 38 Grad mit einem Apenzellerbier in der Hand. Das Erlebnis war grandios und es kam ein bisschen Heimweh auf.

Der Abend verlief dann nach obligatorischem Singen der Nationalhymne und traditionell langweiliger Ansprache der Bundespräsidenting wie es von einem Abend bei dem es Alkohol for free gibt eben erwartet wird und zusammen mit ein paar lustigen Schweizern (Gruss hiermit an die Weltreisenden) drehten wir zu später Stunde noch einige Runden mit dem Sessellift und gönnten uns mehr Racletteportionen als eigentlich möglich gewesen wären.