Nachdem es in meinen ersten Wochen in China oft und ausgiebig geregnet hatte (was für diese Jahreszeit normal ist, denn bis Ende Juni herrscht Regenzeit), ist diese nun offiziell vorbei. Und siehe da: Heute strahlender Sonnenschein in Shanghai.
Die Gelegenheit um die neue Heimat etwas zu erkunden und endlich mal ein paar Fotos zu schiessen. Die Metro (die übrigens äusserst konfortabel, pünktlich, modern und sauber ist) brachte mich zur Station “Laoximen” am Rande der sogenannten “old town” – dem Stadtviertel, welches heute noch so aussieht, wie sich manch einer das traditionelle China vorstellt: Enge, verwinkelte Gassen, niedrige Häuser mit geschwungenen Dächern, überall quer über die Strassen zum trocknen ausgehängte Wäsche, unzählige kleiner Garküchen, Menschen in Pijamas auf den Strassen , zahllose Lebensmittelstände und hektisches Treiben.
Hier geht es extrem wuselig zu, auf den Strassen ein Gewimmel aus Fussgänger, Fahrradfahrer, Menschen, die irgendwelche Güter per Handkarren transportieren und nicht selten: Hühner, Hunde und Katzen. Wer nach Shanghai kommt, der sollte sich die old town nicht entgehen lassen: Hier wird die Wäsche noch in Zuber auf der Strasse gewaschen, der Fisch auf dem Bordstein zerlegt und das lebendige Huhn direkt aus einem garagenähnlichen Laden verkauft.
Old Town hat bis heute keine Kanalisation und so laufen hier und da kleine Rinnsale den Strassen lang. Die Luft ist gespickt mit unterschiedlichsten Gerüchen, die teilweise aus den vielen Dampfenden Kochkessel stammen, teilweise auch aus den herumliegenden Abfallhaufen, untermalt mit dem Duft der überall hängenden, frisch gewaschenen Wäsche. Deutsche Gaststättenkontrolleure hätten ihre helle Freude, beim Anblick des in der prallen Sonne auf der Strasse liegenden, rohen Fleischs und den zahlreichen Katzen unter den Schlachtbänken.
Per Zufall entdeckte ich auf meinem weiteren Spaziergang etwas skurriles: Nämlich den sogenannten “Insect, Bird and Flower Market”. Der Name ist Programm und so drängen sind in winzigen Ständen Käfige mit diversen Vögeln, Fischen, Scihldkröten, Fröschen, Eichhörnchen und sogar Katzen und Hunden bei weit über 30 Grad in einer Art Markthalle. Den Geruch kann man sich in etwa vorstellen und dann ist da noch dieses ohrenbetäubende Geräusch, das über dem ganzen liegt. Es ist das Zirpen von abertausenden Grillen (Grashüpfer), die sich die Chinesen gerne als lebendige Musikanten in kleinen Kartonschachteln oder geflochtenen Rattankugeln halten. Angeblich werden hier auch Heuschreckenkämpfe ausgetragen, auf die auch gewettet werden kann und bei denen es angeblich um Summen wie beim Pferderennen geht. Wem`s gefällt… Den tausenden von Tieren in ihren viel zu kleinen Käfigen gefällt es auf jeden Fall nicht und weil ich den Anblick auch nicht sonderlich erfreulich finde, ziehe ich weiter.
Von old town quer durch die Stadt, vorbei an zahlreichen Wolkenkratzer, elevated roads und Strassenzügen in denen sich ein kleiner Laden mit allerlei Krimskrams an den anderen reiht, weiter zur “Nanjing road” – der vermutlich bekanntesten Einkaufs- und Touristenstrasse Shanghais. Hier statte ich einer alten Bekannten einen Besuch ab. “Lisa” ist ein junges, sehr sympathisches und aufgewecktes Mädel, das hier in einem unterirdischen Einkaufszentrum einen minikleinen Shop betreibt, in dem sie vor allem gefälschte Taschen, Uhren, Geldbörsen und so weiter verkauft. Ich kenne sie bereits aus früheren Geschäftsreisen und habe schon so einige Kollegen und Freunde auf der Suche nach günstigen “original copies” in ihren kleinen Laden geführt. Dieser hat nämlich ein Geheimnis – wie so viele dieser Shops hier. Wie bei Indiana Jones gelangt man durch eine versteckte Tür in einem Schrank und durch dunkle Katakomben in ihren eigentlichen Shop. Und hier sitzen dann meist westliche Kunden auf winzigen Kinderplastikhockern und begutachten nicht ganz Echtes von Rolex, Gucci, LV und so weiter. Lisa erkennt mich sofort mit einem freudigen “Heeeyyy” und schenkt mir zum Wiedersehen etwas aus ihrem Sortiment.
Nicht weit von Lisas Laden liegt der “Bund” – DIE Prachtpromenade Shanghais. Hier gibt es die teuersten Restaurants, die teurstens Quadratmeterpreise für Wohnungen und Büroräume, alte Kolonialbauten, die schönste Aussicht auf die Skyline mit dem “Oriental Pearl Tower” und vor allem auch eines: Viele, viele Menschen. Wer kein Foto von sich auf dem Bund mit zurück nach Hause bringt, der war nicht in Shanghai und so ist es hier gerammelt voll.
Als westlich aussehender Mensch wird man hier im Zuge der Fotoeuphorie gerne selbst zur Sehenswürdigkeit. Wer ein paar Minuten stehen bleibt, wird garantiert nach wenigen Minuten von schüchternen Chinesen (meist Mädels) in sehr holprigem Englisch gefragt, ob es möglich wäre, dass diese ein Foto mit einem machen. Einmal ja gesagt, versammeln sich spontan kleine Menschengruppen um einem um sich ebenfalls vor dem offensichtlich willigen Statisten abzulichten.
Vom Bund setze ich meine Reise abermals mit der Metro fort und lasse mich in die “Former French Consession” befördern. Dieses Stadtviertel war früher tatsächlich eine französische Konzession und das sieht man auch heute noch. Während Shanghai sonst von hypermodernen Hochhäusern, breiten Strassen und spiegelnden Glasfronten geprägt ist, könnte man sich hier tatsächlich nach Frankreich versetzt vermuten. Eine Boutique reiht sich an die nächste, dazwischen zahlreiche Konfisserien, Kaffees und Bars. Das ganze eingebettet in prächtige Alleen mit altem Baumbestand und teilweise umgeben von grosszügigen Parkanlagen, in denen die Menschen lesen, Karten spielen und Thai Chi praktizieren. In einer chicen Lounge-Bar gönne ich meinen Füssen eine kurze Pause von der langen Wanderung durch den Grossstadtjungle (bei übrigens 35 Grad und einer Luftfeuchte nahe den 100%) und mache mich dann über die letzte Etappe zurück nach Hause.
Heute Abend gibts viel Wasser und eine Pizza – nach Hause bestellt über Sherpas - mein Lieblingsunternehmen in dieser Megastadt.