Shanghai liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Marokko, Saudi Arabien und Ägypten – und das merkt man vor allem in den letzten Wochen an den Temperaturen, die sich ausschliesslich jenseits der 30-Grad-Marke und dabei nicht selten am oberen Ende in Richtung der 40 bewegen. Das, gepaart mit einer Luftfeuchte von meist weit über 60% macht jede Aktivität im freien zum schweisstreibenden Erlebnis, das man wenn irgendwie möglich, am besten von vornherein vermeidet.
Kein Wunder, dass hier jede Wohnung, jedes Haus, jeder Supermarkt und selbst Aufzüge, U-Bahnen und jeder noch so alte Taxi-Santana mit einer leistungsstarken Klimaanlage ausgestattet ist. Und weils draussen ja so heiss ist, muss man es drinnen natürlich ungleich kühler machen. Bei unter 20 Grad fühlt sich der Chinese da erst so richtig wohl und lässt dabei aber die Türen im Supermarkt gerne offen stehen. Das ist zwar angenehm, wenn man als Fussgänger draussen vorbei läuft, weil sich die kalte Luft wie eine angenehme Dusche aus den Ausgängen auf einem ergiesst, ist aber zugleich eine unglaubliche Energieverschwendung, die hier einerseits keinen stört und andererseits die unzähligen Kühlaggregate auf hochtouren laufen lässt. Für grössere Gebäude werden dabei nicht die bekannten, ungefähr backofengrossen Kühler, welche an der Aussenfassage des Gebäudes angebracht werden, verwendet, sondern richtige Kühltürme, in denen Wasser in richtigen Wasserfällen zirkuliert und damit die Wärme nach Draussen transportiert.
Meine Wohnung selbst verfügt, was sehr angenehm ist, über insgesamt 5 Klimaanlagen, die sich über die einzelnen Räume verteilen. Gesteuert werden sie nicht zentral, sondern über zwei Fernbedienungen, die mit Tasten nicht sparsam bestückt und ausschliesslich auf chinesisch beschriftet sind. 15 Tasten x 2 Fernbedienungen x 5 Klimaanlagen, das ergibt gefühlte 10 Millionen Einstellungsmöglichkeiten, von denen ich nach 1,5 Monaten definitiv noch nicht die richtige gefunden habe. Dabei wirkt das ganze erst simpel: Gewünschte Tastatur über die zwei Pfeiltasten auf der Fernbedienung eingeben und fertig. Das wäre jedoch viel zu einfach, denn die eingestellte Temperatur entspricht der gewünschten Raumtemperatur und die kann durch die sozusagen nicht vorhandene Isolierung chinesischer Baute defakto nie stabil erreicht werden.
Wer nun also blauäugig seine Anlagen auf wohlige 23 Grad einstellt und die Wohnung verlässt, der wird bei der Rückkehr erst mal eine Jacke suchen und kann die Bier problemlos im Wohnzimmer kühlen. Denn die Klimaanlagen geben nun alles, um gegen die 35 Grad heisse Luft, die von draussen ungehindert durch die hauchdünnen Fenster kommt, anzukämpfen und das tun sie indem sie Luft gefühlt nahe am Gefrierpunkt im Zimmer verteilen. Den genau entgegengesetzten Effekt erreicht man, wenn man nun – naiv denkend – den AC-Thermostaten einfach höher stellt. Denn nun schält die Anlage clever wie sie ist von “Kühlen” auf “Heizen” um, da die Innentemperatur ja unter der Aussentemperatur liegt. Das Ergebnis: 35 Grad heisse Aussentemperatur paart sich mit 27 Grad warmer Innenluft und ergibt warum auch immer gefühlte 40 Grad Innentemperatur.
Wer übrigens denkt das Problem lasse sich wie in Europa üblich einfach durch Lüften morgens und nachts, wenn es kühler sein müsste beheben, der irrt. Hier kühlt es Nachts kein Grad ab und man schwitzt auch um 3 Uhr morgens wenn man von der 18 Grad kalten Disco auf die Strasse tritt wie nach einem 1000m Lauf. Bleibt, weiter mit den Fernbedienungen zu experimentieren, sich auf den Herbst zu freuen und so lange mit kühlem Bier vom Wohnzimmertisch entegegenzuwirken.
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Der Bruder und seine Klimaanlagen…. der ewige Kampf